Wie die Offenbach Post die Chance verspielte, ihrer Rolle als führende Tageszeitung in Neu-Isenburg gerecht zu werden
Am 9. Februar 2024 berichtete die Offenbach Post unter dem Titel „Privatisierung der Hugenottenhalle prüfen lassen“ über eine entsprechende Beschlussfassung der Stadtverordnetenversammlung von Neu-Isenburg. Sie schrieb: „Angesichts der immensen Kosten, die auf die Stadt durch den Umbau in ein Kultur- und Bildungszentrum zukämen, möchte die Koalition die Frage nach einer Privatisierung ergebnisoffen prüfen lassen, ohne dass die Stadt Garantien übernehmen muss, zum Beispiel eine Bürgerschaft. Voraussetzung ist für die CDU-Fraktionschefin Bettina Blüchardt, dass die Stadt den „Dritten Ort“ dauerhaft anmieten und das Programm in eigener Regie weiterhin gestalten kann.“
Die Offenbach Post hatte zutreffend berichtet. Davon kann man sich auch überzeugen, indem man über das öffentliche Rats- und Informationssystem der Stadt Neu-Isenburg die Unterlagen zur Drucksache „Privatisierung Hugenottenhalle – Prüfungsantrag der Koalition“ (Drucksache 19/1399) aufruft. Diese dokumentierten den fraglichen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 7. Februar 2024 im Wortlaut.
Auf den in der Drucksache dokumentierten Sachverhalt, über den die Offenbach Post sodann berichtet hatte, bezieht sich das Bürgerbegehren „Kein Verkauf des Areals der Hugenottenhalle an einen Investor“, welches am 21. Juni 2024 in Neu-Isenburg startete, in seiner Begründung. Als die Initiative zu dem Bürgerbegehren in einer Pressemitteilung vom 26. Juli 2024 erklärte, bislang rund 500 Unterschriften gesammelt zu haben, reagierte die Stadt Neu-Isenburg noch am gleichen Tag, und zwar ebenfalls mit einer Pressemitteilung. Wenn auch indirekt („aus gegebenem Anlass“) nimmt sie Bezug auf das Bürgerbegehren. Die Stadt versucht nun dem Eindruck entgegenzutreten, dass eine Privatisierung der Hugenottenhalle geplant sei. Dies kann jedoch nicht gelingen, denn sie kann auf nichts zurückgreifen, was den „Privatisierung Hugenottenhalle – Prüfungsantrag der Koalition“ (Drucksache 19/1399) relativieren würde. Der Prüfungsantrag liegt noch kein Ergebnis vor und die Stadtverordnetenversammlung, der die Ergebnisse laut Beschluss vorzulegen sind, konnte hierzu noch nicht beraten.
Gleichwohl beteiligt sich nun die Offenbach Post nun mit einem Artikel „Hugenottenhalle Neu-Isenburg: Kein Verkauf des Grundstücks an Investor“ vom 29. Juli 2024 an den Spekulationen, die vom Rathaus verbreitet werden. Dies, obwohl sie am 9. Februar 2024 über den Beschluss zutreffend berichtet hatte und ihr gut bekannt sein dürfte, dass es hierzu keine neue Sachlage gibt. Durchsetzt ist der Artikel mit konfus wirkenden Bemerkungen zu dem Bürgerbegehren. So wird eine „jüngste Mitteilung“ von Bertram Abel zitiert, die es in Wahrheit nicht gegeben hat. Die so Bertram Abel in den Mund gelegte Angabe, er wolle die gesammelten Unterschriften „bis Mittwoch, 28. August“ der Stadtspitze übergeben, schlicht falsch.
In der Folge nimmt die Offenbach Post ihren Artikel vom 29. Juli 2024 vom Netz (op-online) und ersetzt diesen durch einen in Teilen veränderten und aktualisierten Beitrag, und zwar diesmal unter dem Titel „Stadtspitze strebt keinen Verkauf an“, der am 6. August 2024 online gestellt wird. In diesem Beitrag wird in zutreffender und nachvollziehbarer Weise über das Bürgerbegehren berichtet. Es wird klar, dass rund 4.000 Unterschriften gesammelt werden sollen und dass noch nicht absehbar ist, wie lange dies dauern wird. In der Printausgabe der Offenbach Post erfolgt keine vergleichbare Korrektur zu dem Artikel.
In diesem Zuge veröffentlicht die Offenbach Post am 7. August 2024 einen weiteren Artikel. Unter dem Titel „Podiumsdiskussion über Zukunft der Kulturstätte gefordert“ geht sie auf das zentrale Anliegen ein, das Bertram Abel aus gegebenem Anlass äußert. In dem Artikel heißt es: „… fordert er Bürgermeister Gene Hagelstein auf, sich einer Podiumsdiskussion zu stellen, in der die Zukunft der Hugenottenhalle thematisiert wird. „Dies soll unter einer neutralen Moderation stattfinden und das Beantworten von Fragen aus dem Publikum mit einschließen“, schreibt Abel. Aus Sicht des Neu-Isenburgers solle eine solche Veranstaltung noch im August stattfinden.“ Die Offenbach Post erläutert: „Abel erklärt, die Mitteilung des Bürgermeisters sei lediglich eine Absichtserklärung. Über die Zukunft der Hugenottenhalle, einschließlich der Stadtbibliothek, entscheide allein die Stadtverordnetenversammlung. Der Einstieg eines Investors sei damit noch nicht ausgeschlossen.“
Zum anderen berichtet die Offenbach Post in diesem Artikel über das gegen Bertram Abel bestehende Hausverbot in Bezug auf die Hugenottenhalle. Sie zitiert Christopher George, den Leiter der Hugenottenhalle, der öffentlich die Existenz einer „Hausordnung“ bestätigt. „Die Hausordnung untersage Bildaufnahmen, wenn keine Veranstaltungen stattfänden.“ Bertram Abel sei „unangemeldet im Gebäude aufgetaucht und habe unerlaubt Fotos gemacht.“ Er habe Bertram Abel des Hauses verwiesen.
Wenige Tage nach der Veröffentlichung fragt Bertram Abel bei der Offenbach Post an, ob damit zu rechnen sei, dass sie zu der Podiumsdiskussion zur Zukunft der Hugenottenhalle mit Bürgermeister Hagelstein und ihm, Bertram Abel, der Vertrauensperson des Bürgerbegehrens, einlädt. Mit Datum vom 13. August 2024 erteilt die Offenbach Post ihm hierzu eine Absage. Zur Begründung heißt es, man sehe diesbezüglich „keinen hinreichenden Nutzen für die Öffentlichkeit, zumal eine konkrete Entscheidung über die Zukunft der Hugenottenhalle bis auf Weiteres aussteht“.
Diese Argumentation erstaunt. Will die Offenbach Post damit sagen, dass die Bevölkerung in eine Diskussion erst einbezogen werden soll, wenn schon alles feststeht? Es sieht ganz danach aus. Die Offenbach Post hat die Chance vertan, die offenkundig gewordenen Widersprüche und die Existenz konträrer Positionen um die Zukunft der Hugenottenhalle zum Anlass zu nehmen, um die beiden, jeweils in demokratischen Strukturen bzw. Prozessen an verantwortlicher Stelle tätigen Kontrahenten an einen Tisch zu holen. Bei einem für die Stadt so wichtigen Thema wie dem der Zukunft der Hugenottenhalle hätten vor dem Augen aller Interessierten Ausgangsanalysen vorgenommen, Perspektiven beschrieben, Pro und Kontra zum Ausdruck gebracht werden und Fragen aus dem Publikum beantwortet werden können.
Bertram Abel hatte die Offenbach Post auch gebeten, der Frage nachzugehen, wie es sein kann, dass in einem Bürgerhaus eine Hausordnung existieren kann, die „Bildaufnahmen“ untersagt, „wenn keine Veranstaltungen stattfänden.“ Seit wann werden Bürgerinnen und Bürger von städtischem Personal aus Kultureinrichtungen verwiesen, wenn sie dort in dem allgemein zugänglichen Teil fotografieren? Wo außer in Neu-Isenburg gibt es so etwas? Die Offenbach Post ging auch dieser Frage nicht nach.
Neu-isenburg, den 19.08.2024