Warum wird die Hugenottenhalle an die AfD vermietet?


Nachfolgend dokumentiert die INITIATIVE Stadtmitte eine von ihr verfasste Erklärung aus Anlass der Vermietung der Hugenottenhalle an am 01.02.25 an die AfD. Die Erklärung wurde vor dem betreffenden Tag verfasst und am 01.02.25 in einer Auflage von 500 Stück in der Stadt Neu-Isenburg verteilt.


Neu-Isenburg, die Hugenottenhalle und die AfD


Die Hugenottenhalle in Neu-Isenburg

Die Stadt Neu-Isenburg verfügt über keine große Halle, die sich für Wahlkampfauftritte von Parteien und ähnliche Veranstaltungen eignet oder hierzu zur Verfügung gestellt werden könnte. Weder verfügt die Stadt Neu-Isenburg über ein Messegelände, noch über eine große Sporthalle bzw. -arena, noch über eine große städtische Halle, die nicht unmittelbar mit anderen Nutzungen verbunden ist.

Im Zentrum der Stadt Neu-Isenburg befindet sich ein Komplex aus Gebäuden und Plätzen, welcher architektonisch, städtebaulich und in Bezug auf seine Nutzungskonzeption eine Einheit bildet. Die gängigen Kurzbezeichnungen „Hugenottenhalle“ sowie „Rosenauplatz“ sind zwar prägnant, geben den Sachverhalt aber nur unzureichend wieder. Denn es handelt sich baulich um ein Integral, welches geschaffen wurde, um der Einwohnerschaft der Stadt Neu-Isenburg in Gebäuden und im Freien Raum für kulturelle und soziale Aktivitäten zu bieten und dies auf einem Gelände eng miteinander zu verknüpfen.

Einerseits wurde ein Forum für kulturelle Aktivität und für den Genuss kultureller Angebote geschaffen. Hierzu dienen eine große Halle und mehrere kleine Veranstaltungsräume, ein Foyer und ein Atrium, sowie mit der damit verbundenen Infrastruktur und technischen  Ausstattung. Andererseits besteht viel Raum für Erholung und Entspannung, für Spiel und Spaß, ungestört von Verkehr und Getriebe der Innenstadt. Hierzu dienen eine im Gebäude untergebrachte leistungsfähige Gastronomie, ein großer und repräsentativer Platz sowie weitere Plätze bzw. Grünflächen, ferner ein kleiner Dachgarten. Hinzu kommt ein Bistro, welches außerhalb angesiedelt ist, mit seinem Außenbereich jedoch weit auf das genannte Gelände reicht. Der Kernbereich des Gebäudes (Atrium und großes Treppenhaus) dient zudem als Ausstellungsbereich für Kunst. Kunstwerke befinden sich auch auf einer der Außenflächen zur Frankfurter Straße hin.

Eine ständige Nutzung ist durch die Stadtbibliothek (Hauptsitz), das Kulturbüro sowie die Musikschule gegeben, die in dem Gebäude eigene Räume unterhalten. Hinzu kommt die bereits erwähnte Gastronomie, die von einem privaten Pächter betrieben wird. Die Anlage wird also in vielerlei Hinsicht kontinuierlich genutzt, und zwar auch dann, wenn keine Veranstaltungen stattfinden. In Bezug auf die Veranstaltungen ermöglicht die besondere Konstruktion eine außerordentlich flexible Gestaltung von Raumkonzepten, bis hin zur Öffnung der Halle mit Foyer auf breiter Front zum Rosenauplatz hin, so dass Innen und Außen in einzigartiger Weise großräumig zusammengeführt werden können.

Alles zusammen bildet eine Einheit, die trotz der gegebenen unmittelbaren Nähe gegen den Innenstadtverkehr wirkungsvoll abgeschirmt ist. Eine klare Abgrenzung besteht auch zum benachbarten Shopping-Center. Auf Schaufenster zum Rosenauplatz hin wird verzichtet. Die Ruhe auf dem weitläufigen Rosenauplatz wird durch nichts gestört. Auffallend ist der durchgängig ebenerdige Boden, der ohne auch nur eine geringste Schwelle die Räume im Inneren und die Flächen im Äußeren verbindet. Die gesamte Anlage ist barrierefrei. Unter dem Gelände befindet sich außerdem eine Tiefgarage.

Die Anlage wurde als „Bürgerhaus“ für Neu-Isenburg konzipiert und seinerzeit als Teil des Programms „Gemeinschaftshäuser“ des Landes Hessen realisiert. Die Eröffnung erfolgte im Jahr 1977 durch den damaligen hessischen Sozialminister Armin Clauss. Im von ihm überreichten Gästebuch steht: „Sinn der von der Landesregierung geförderten Gemeinschafts-Häuser ist es, das Gefühl der Zusammengehörigkeit und der Solidarität der Bürger zu stärken und die Bereitschaft des einzelnen zu unterstützen, sich auch mit lokalen Aufgaben und Problemen zu befassen.“ Die gesamte Anlage unterliegt dieser Zielsetzung und Zweckbindung. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Im Gegenteil: Die Anlage wird das ganze Jahr über tagtäglich vollumfänglich in diesem Sinn genutzt.

Parteitage und Wahlkampfauftritte in städtischen Hallen?

Völlig anders verhält es sich mit der Problematik einer etwaigen Nutzung von städtischen Hallen für Parteitage und Wahlkampfauftritte! Bundesweit werden nur wenige Hallen in städtischer Hand überhaupt für solche Zwecke zur Verfügung gestellt. Häufig handelt es sich um Hallen auf Messegeländen oder Sporthallen bzw. -arenen. Dass gewöhnliche Stadthallen, also Hallen, die von ihrer Konzeption her nur einem Zweck dienen: nämlich große Veranstaltungen durchzuführen, für Parteitage bzw. Wahlkampfauftritte zur Verfügung gestellt werden, ist absolut unüblich. Sofern in der Vergangenheit im Einzelfall Unklarheiten bestanden, sind die Städte längst dazu übergegangen, durch präzisierte Benutzungssatzungen entsprechend Klarheit zu schaffen. Wenn Hallen wie z. B. die „Dortmundhalle“ weiterhin für Parteitage und Wahlkampfauftritte zur Verfügung gestellt werden, dann nicht, weil es sich hier um eine Stadthalle handeln würde, sondern weil es sich hier um eine Messehalle handelt.

Kurzfristiger und langfristiger Schaden für Neu-Isenburg

Vor demHintergrund des Dargestellten ist es nicht nur ausgesprochen erstaunlich, sondern geradezu unfassbar, dass ausgerechnet die Hugenottenhalle auch im jetzigen  Bundestagswahlkampf wieder der Partei AfD für einen „zentralen Wahlkampfauftritt“ (FAZ vom 25.01.25) zur Verfügung gestellt wird! In Wahrheit wird damit nicht nur eine Halle angeboten. Angesichts der Struktur und Konzeption dieser Anlage ist eine derart isolierte Betrachtung schlichtweg nicht möglich. Vielmehr führt die Vermietung der Halle für eine Wahlkampfveranstaltung notgedrungen dazu, dass die gesamte Anlage in Beschlag genommen wird. Darüber hinaus steht im Voraus hinreichend fest, dass der gesamte Innenstadtbereich betroffen sein wird.

So hat die Stadt Neu-Isenburg in ihrer Pressemitteilung vom 24.01.25 mitgeteilt, dass am 01.02.25 die Stadtbibliothek geschlossen bleibt und die Tiefgarage nicht genutzt werden kann. Sogar der unweit gelegene Taxistand – der einzige in der Stadtmitte – ist an diesem Tag auf Anordnung der Stadt außer Betrieb. Die Frankfurter Straße als zentrale Nord-Süd-Durchfahrtsstraße durch die Stadt wird in Abschnitten gesperrt. Die Gastronomie in dem Gebäude wird nicht besucht werden können. Sämtliche Gebäude und öffentlichen Plätze, die mit der Anlage verbunden sind, werden nicht besucht werden können.

Ferner werden eine ganze Reihe von Geschäften in der Innenstadt mit empfindlichen Beeinträchtigungen und Umsatzeinbußen zu rechnen haben. Es ist jetzt schon absehbar,   dass das Leben in der Stadt in vielfältiger Weise beeinträchtigt sein wird, und dies ausgerechnet an einem Samstag. Alleine dies stellt ein Ärgernis und eine Zumutung für die Menschen in der Stadt und für viele Gewerbetreibende am Standort dar. Rechtfertigen lässt sich dies in keiner Weise. Denn wie bereits erwähnt, finden in anderen Städten Deutschlands Wahlkampfauftritte nicht ausgerechnet in Gebäuden statt, die derart zentral in der Mitte der Stadt liegen wie die Hugenottenhalle, zumal Neu-Isenburg eine kleine Stadt mit kleinräumigen Strukturen ist, was in einem solchen Fall stark zur Bedrängtheit beiträgt.

Hinzu kommt, dass der Zweck der Vermietung nicht nur nicht mit der Nutzungskonzeption der Anlage in Einklang zu bringen ist, sondern dieser vielmehr diametral entgegensteht: Während es Zweck des Gemeinschaftshauses ist, das Zusammengehörigkeitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger zu stärken, und zwar unabhängig von Geschlecht, Alter, Religion und politischer Gesinnung, orientiert ein Wahlkampfauftritt auf das Herausarbeiten von Unterschieden, zieht plakativ Trennlinien und propagiert die Parteinahme für eine Partei. Ein Wahlkampfauftritt wendet sich nie nur an eine geschlossene Gesellschaft, sondern will  darüber hinaus ein allgemeines Publikum ansprechen. Dies wird durch Übertragungen in Funk und Fernsehen sowie die Verbreitung im Internet erreicht. Auch wenn das Publikum in der Halle handverlesen ist, so soll die Wahrnehmung doch auf jeden Fall möglichst breit erfolgen. Griffige Schlagwörter und zuspitzende Parolen, die bei Wahlkampfauftritten regelmäßig ausposaunt  werden, dienen diesem Ziel. 

Der Schaden für die Stadt Neu-Isenburg hat deshalb hier eine zweite Dimension, und diese von ihrem Stellenwert her als die Entscheidende anzusehen: Die Vermietung der Hugenottenhalle an eine Partei diskreditiert die zentrale innerstädtische Anlage als Ganzes. Indem die Stadt eine solche Vermietung dennoch vornimmt, wird aber auch dem Gemeinweisen Stadt Neu-Isenburg als Ganzem geschadet. Viele Neu-Isenburger betrachten die Hugenottenhalle als das Wahrzeichen ihrer Stadt. Und auch die Stadt sieht in der Hugenottenhalle das „Aushängeschild“ der Stadt. Die Stadt schadet sich und ihrem Ruf durch den Akt der Willkür selbst, und zwar in abnormer Weise.

Nur einer profitiert: Die AfD

Im Gegenzug dazu kann die Partei AfD – und an diese erfolgt ja die Vermietung – einen großen symbolischen Sieg einfahren, einen Sieg, der gerade für diese Partei sehr bedeutsam sein dürfte: Sie kann damit demonstrieren, dass sie in Deutschland Städte und deren kulturelles und öffentliches Zentrum ungehindert für ihre Zwecke in Beschlag nehmen kann. Um dies demonstrieren zu können, reicht eine einzige Stadt, mit der man das – im Rahmen eines zentralen Auftritts – machen kann. Da nützt es auch nichts, wenn alle anderen Städte in Deutschland sich einer solchen Praxis widersetzen.   

Warum Neu-Isenburg?

Was Sorge bereitet: Bereits Mitte 2017 wurde die Hugenottenhalle der AfD zur Verfügung gestellt. Schon damals trat die Bundesvorsitzende der Partei – damals Frauke Petri – im Bundestagswahlkampf auf. Nun im Jahr 2025 wiederholt sich dies. Die Praxis hat inzwischen Tradition. Und man muss befürchten, dass diese Tradition weitergeführt wird: Hierzu dient sicherlich die von der Stadt Neu-Isenburg jetzt schon angekündigte Evaluation zu „Ablauf und Auswirkung“ der Vermietung am  01.02.25. 

Die Vermietung der Hugenottenhalle an die AfD im Bundestagswahlkampf erfolgte 2017 und erfolgt 2025 zweckwidrig und zum Schaden der Stadt. Warum verhalten sich die Verantwortlichen der Stadt Neu-Isenburg so? Diese Frage ist zu stellen. Nun, vielleicht ist die Erklärung recht einfach: Ein Mitglied im Beirat der politischen Stiftung der AfD ist Klaus-Dieter Flesch. Herr Flesch sitzt gleichzeitig für die AfD im Magistrat der Stadt Neu-Isenburg, und zwar seit Mitte 2016. Keineswegs soll hier behauptet werden, dass in dieser personellen Verquickung der Grund für die Vermietungen an die AfD zu sehen ist. Alleine die Stadt kennt die wahren Gründe. Es wäre sehr hilfreich, wenn die Stadt Neu-Isenburg die nötige Klarheit schafft und hierzu die beiden Vorgänge vollständig transparent macht!