Was Sanierung im Fall von Hugenottenhalle und Stadtbibliothek bedeutet


Die Ausgangslage im Jahr 2024

Bislang liegt kein Beschluss der Stadtverordnetenversammlung von Neu-Isenburg vor, der angibt, unter welchen Gesichtspunkten eine Sanierung von Hugenottenhalle und Stadtbibliothek erfolgen soll.

Es dürfte unstrittig sein, dass es um eine Grundsanierung geht, die eine umfassende energetische Sanierung, die Erneuerung der Haustechnik und eine Verbesserung des Brandschutzes umfasst. Die große Zahl an Glasfenstern und -türen muss ausgetauscht werden.

Zu dem Sanierungsvorhaben in Neu-Isenburg sind Bertram Abel außer einigen wenigen Seiten der Stadt Neu-Isenburg aus dem Jahr 2020 (Drucksache 18/1640) keine wie auch immer gearteten Ausführungen hierzu bekannt, weder von Seiten der Stadt, noch von anderer Seite. Deshalb soll hier eine erste grobe Annäherung an dieses Thema versucht werden.

Besondere Herausforderungen bei Gebäuden aus dieser Ära

Eine qualitative Beschreibung des Ensembles, welches sich aus den Gebäuden Hugenottenhalle und Stadtbibliothek sowie den damit verbundenen Plätzen zusammensetzt, ist Bertram Abel trotz entsprechender Recherche nicht bekannt.

Deshalb soll hier behelfsweise auf einen anderen Architekten Bezug genommen, dessen Bauten in dieselbe Ära fallen: Paul Baumgarten. Seine Bauten weisen einige Ähnlichkeiten mit dem genannten Ensemble in Neu-Isenburg auf. Der Architekt Paul Baumgarten und dessen Werk sind bekannter als das von Axel Weber bzw. der Architekten, die zu dem Entwurf von Hugenottenhalle und Stadtbibliothek wichtige Beiträge geleistet haben.

Bekannt ist Paul Baumgarten u. a, durch den Bau, der dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe als Amtssitz dient.

„Paul Baumgarten (1900-1984) gilt als ein Architekt, dessen Gebäude sich durch sachliche Qualität und sorgfältige Detaillierung auszeichnen. Seine architektonische Haltung zeigt sich in der konsequenten Durchbildung seiner Projekte und erweist sich in ihrem Anspruch an den Gestaltungsvorgang als unvermindert aktuell. (…) Bezeichnend für das architektonische Werk Baumgartens sind die kühne Proportionierung, die Leichtigkeit und die materialgerechte Konstruktion.“ (aus der Buchbeschreibung zu dem Buch der Autorin Annette Menting „Paul Baumgarten. Schaffen aus dem Charakter der Zeit“,1998)

Zur Sanierung des Ensembles an Bauten für das Bundesverfassungsgericht, die von 2011 bis 2014 stattfand, schrieb die Deutsche Bauzeitung: „Die bauliche Grundsanierung und Modernisierung des denkmalgeschützten Baumgarten-Komplexes war ein komplexes und anspruchsvolles Unterfangen. Viele Bauelemente entpuppten sich als handwerkliche Unikate in industrieller Optik und mussten entsprechend unverändert bewahrt bleiben. Dieses Wesensmerkmal auf der einen Seite zu bewahren, den modernen Anforderungen andererseits gerecht zu werden, erforderte Sorgfalt und Fingerspitzengefühl.“ (Artikel  „Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe: Massenweise Unikate“ vom 09.04.2015)

Präzisierend heißt es hier: „Bei Vorhangfassaden denkt man an industrielle Präzision und serielle Fertigung. Als es in Karlsruhe darum ging, den Stammsitz des Bundesverfassungsgerichts zu modernisieren, entpuppten sich Brüstungs-, Attika- und Fensterelemente jedoch als handwerkliche Unikate in industrieller Optik. Entsprechend anspruchsvoll war die Sanierung des denkmalgeschützten Ensembles von Paul Baumgarten.“ Es ist absehbar, dass bei der Sanierung des Ensembles, welches sich aus den Gebäuden Hugenottenhalle und Stadtbibliothek sowie den damit verbundenen Plätzen zusammensetzt, vergleichbare Erfahrungen gemacht werden.

Erfahrung von Architekten bezüglich der Sanierung derartiger Gebäude

Nachfolgend soll an einem Beispiel auszugsweise wiedergegeben werden, was erfahrene Architekten auf dem Gebiet der Sanierung eines Gebäudeensembles wie dem von Hugenottenhalle und Stadtbibliothek mitteilen. Die Zitate stammen aus dem von Dieter Bartetzko geführten Interview: „Denkmalwürdig, aber nicht denkmalgeschützt“ mit „SSP Architekten Ingenieure und soll sasse architekten BDA“ über die Sanierung der Stadthalle Göttingen, abgedruckt in dem Heft „Kulturhäuser: Demokratie feiern“ des Onlinemagazins moderneREGIONAL Sommer (23/3), Seiten 35-39. 

Zunächst erfolgen allgemeine Hinweise zu Gebäuden wie Stadthallen oder Kulturhäusern, wie sie in Deutschland in den 60er und 70er Jahren erbaut wurden:

soll sasse architekten BDA: „Die negative öffentli­che Wahrnehmung der Bauten aus der Nach­kriegszeit ist wirklich ein Problem. Es werden immer noch zu viele Bestandsbauten sorglos ab­gerissen. Der entstehende Müll und die zu er­zeugende Energie sind ein Teil des Problems, ein weiteres, dass bereits aufgewendete Energie zur Errichtung der Gebäude (sog. Graue Energie) ebenso in die negative Bilanz einzurechnen ist. Bleibt der Bestand stehen, wird diese Graue Ener­gie nicht noch zusätzlich verbraucht. Was zudem oft völlig ignoriert wird, ist die soziokulturelle Be­deutung von Bestandsgebäuden, sind diese doch vielmals identitätsstiftende Bauwerke für Gene­rationen. Diese Identitäts-Qualität liegt sicher auch zu einem gewissen Teil in der Ästhetik was die Gestaltung und Materialität der alten Ge­bäude betrifft.“

Das generelle Herangehen an solche Aufträge wird wie folgt beschrieben: 

SSP AG: „Wir denken, dass Qualität von Bestands­gebäuden immer zu erkennen ist, wenn sich um eine „gute“ Architektur handelt. So war es auch hier. Wie schon erwähnt, ist die Beschäftigung mit dem Bestand bzw. die Reflexion darüber das Wichtigste. Eine gute Ergänzung ist eine fundier­te baugeschichtliche Kenntnis, Erfahrung mit dem Umgang mit Bestandsgebäuden sowie das Wissen um Baustoffe und deren Verhalten im Laufe der Zeit.“

Es wird ausgeführt, welche Akzente im Prozess der Umsetzung besondere Bedeutung beigemessen wird:

SSP AG: „Das Wichtigste nach der Gebäudeanalyse ist die Aufstellung von Sanierungskonzepten und deren dabei zugrunde liegenden Ideen sowie der ausführlichen Durchspreche mit allen am Bau­vorhaben Beteiligten. Hier gilt es, dem bereits er­stellten Gebäude mit Achtung und Respekt zu be­gegnen sowie den Kern der Eigenschaften und Ausprägungen zu erforschen und zu erkennen.“

Sodann erfolgt noch der Hinweis darauf, dass eine gründliche Voruntersuchung vorgeschaltet sein sollte:

SSP AG: „Die Bestandsbauten aus dieser Zeit haben ihre Tücken, was deren Substanz und die mög­lichen Schadstoffe anbelangt. Das klein zu reden wäre falsch. Gleichwohl gibt es hier keine pau­schale Antwort bezüglich der Bauten aus der an­gesprochenen Zeit. Es gibt hier alles: von guter Bausubstanz bis hin zu einer Ansammlung un­glücklicher Voraussetzungen. Hier in diesem Fall stand eindeutig die Betonsanierung im Mittel­punkt. Sie waren umfangreicher, als es die Stich­probenuntersuchung im Vorfeld des Bauvor­habens prognostizierte. Eine gründliche Vor­untersuchung mit einer Vielzahl von Unter­suchungspunkten wäre bei dieser Art von Gebäuden angeraten. Das findet jedoch oft nicht statt, weil bis zum letzten Tag vor der Bauphase die Nutzung des Gebäudes gewünscht wird.“

12.10.2024